Leseprobe – Magen an Zunge

Von der Wiege bis zur Bahre, schicken die Organe ihre Kommentare
von Anneliese Axthelm

„Mir wird das jetzt alles zu viel“,
beschwerte sich der Magen,
machte dicht und schickte alles,
was kam, zurück.“

Vorwort

Liebe Leser,

Wir nehmen unseren Körper eigentlich nur bewusst wahr, wenn wir Schmerzen haben oder irgend etwas nicht funktioniert oder wenn wir älter werden. Aber was der Körper, die Organe, die Sinne und die Psyche täglich, tags und nachts leisten, darüber machen sich eigentlich nur Mediziner Gedanken und Menschen, die anderen helfen, ihre Normalität im Körper wiederzufinden. Der „Ottonormalverbraucher“ lebt einfach. Der eine etwas gesünder, als manch anderer. Aber was passiert bei einem zu viel, zu ungesund, zu schwer, zu heftig oder zu außergewöhnlich?

Als ich einen Beitrag im Radio hörte über einen Jugendlichen, der seinen Geburtstag zu heftig feierte, fragte ich mich, was wohl die Leber dazu sagt. So ist die Idee zu diesem Buch entstanden. Manchmal mit einem Augenzwinkern, manchmal aber auch mit Ersthaftigkeit im Hintergrund. Aber immer lustig.

Ich wünsche den Lesern viel Spaß beim Lesen und hoffe, dass sie immer auch an die „Innereien“ denken, wenn sie drauf los leben.

Ihre Anneliese Axthelm


Leseprobe – Seite 1

Geburt

„Bin ich heute diejenige, die gehen muss?“ Ihre Stimme klang ängstlich.
„Wenn keine von den Spermien auf mich trifft, werde ich entsorgt, richtig?“
Eine Eizelle aus der letzten Reihe, die wahrscheinlich als Letzte geht, meinte nur lapidar:
„Du bist nicht die Einzige und auch nicht die Letzte, die entsorgt wird.“
Andere Eizellen meldeten sich hastig zu Wort.
„Unsere Menschin ist erst 19 Jahre, heutzutage machen die erst Karriere, ehe sie an Vermehrung denken.“
„Aber es gibt auch ganz junge, die noch jünger sind, als unsere Menschin.“
Eine heiße Diskussion entbrannte über den Sinn ihres Daseins. Erst als alle wieder ihre Stille fanden, merkten sie, dass ihre Mitbewohnerin von ihnen gegangen war. Tief im Innersten fragte sich nun jede Eizelle, werde ich die Nächste sein?
Die entschwundene Eizelle durchlebte auf ihrem Weg in die Gebärmutter ein Wechselbad der Gefühle. Mit dem Gedanken an eine Entsorgung war sie gestartet. Nun keimte Hoffnung auf. Vielleicht gibt die Menschin gerade eine Party und ein fescher Junge gesellt sich zu ihr, dem sie nicht widerstehen kann.
Vielleicht, vielleicht, vielleicht……Viele solche Vielleicht folgten ihr bis zur Schleimhaut der Gebärmutter. Dort nistete sie sich ein und wartete. Es dauerte und dauerte. dann vernahm sie einen leichten Luftzug.
„Ok, ist da jetzt was, oder nicht?“ Fragte sie sich. Weit in der Ferne bewegten sich Spermien, die sich alle Mühe gaben, voranzukommen, mit mäßigem Erfolg. Eins nach dem Anderen blieb irgendwo hängen oder erstarrte. Doch bei Einem hatte sie das Gefühl, dass es gut vorankommt. Dieses Eine musste sie anspornen, es ging ja auch um ihr Leben.
„Komm schon, gib Gas, du schaffst es, gib alles, gleich bist du am Ziiiiiiiiiiiel!“
Es machte flupp und es war bei ihr tatsächlich gelandet.
„Hallo“, nach einer kurzen Benommenheit wegen des Endspurtes, klang das Hallo doch ganz freundlich.
„Nun heißt es teilen, teilen und nochmals teilen“, flüstere sie, aber doch euphorisch und überglücklich, dass sie es geschafft hatte.
Nie wieder teilen im Leben Mann und Frau so entschieden, wie bei der Entstehung eines Menschen.